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Virtueller Geocache

Kehrbach #2 - Turbinenweg

von GustavGans     Österreich > Niederösterreich > Niederösterreich-Süd

N 47° 43.442' E 016° 07.290' (WGS84)

 andere Koordinatensysteme
 Größe: kein Behälter
Status: kann gesucht werden
 Versteckt am: 10. August 2023
 Veröffentlicht am: 15. August 2023
 Letzte Änderung: 15. August 2023
 Listing: https://opencaching.de/OC17B78

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Zeitlich
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Listing

Beschreibung   

Der Kehrbach ist ein 16 km langer künstlich angelegter Kanal im südlichen Niederösterreich, der bereits im 12. Jahrhundert Erwähnung findet. Er wird hier bei der "Peischinger (Land)wehr" von der Schwarza abgeleitet, wobei im Regelfall das gesamte Wasser der Schwarza entnommen wird.

Hier befindet sich das Kraftwerk "Turbinenweg" mit einer sehr historischen Beschreibung.

Es handelt sich um ein Ausleitungs-Laufwasserkraftwerk auf 350 m Seehöhe aus dem Baujahr 2019 mit einer Bruttofallhöhe von 1,6 m und einem Ausbaudurchfluss von 6 m³/s sowie einem Abfluss von 2–7 m³/s. Das Kraftwerk hat eine Leistung von 60 kW, der Schnecken-Durchmesser beträgt 3,6 m. Die Gesamtkosten für dieses Kraftwerk bewegten sich bei ca. 500.000€. 
Pro Jahr werden ca. 450.000 kWh Strom erzeugt, es werden damit ca. 100 Haushalte in Peisching versorgt.


Hier viele Detailinformationen zum Bau und zum Kraftwerk selbst...

Tatsächlich wohnt in der kurzen Stichstraße auch noch ein (zum Zeitpunkt dieser Niederschrift) 93-jähriger Herr, der bis 1964 der Turbinenwart der installierten Kaplan-Anlage war. Damals versorgte das kleine Kraftwerk die Ortschaft mit Wasserkraftstrom. Die Wende, und damit das Aus für die Wasserkraft kam mit der vermeintlichen Modernisierung, als 1964 das unweit von dem Kraftwerk errichtete kalorische Kraftwerk „Hohe Wand“ in Betrieb ging. Der Turbinenwärter wurde zum Portier im Wärmekraftwerk und kaufte das ehemalige Krafthaus für sich und seine Familie. Aus der Turbinenhalle ist die großzügige Werkstatt geworden, die Teil des gewachsenen Privathauses ist.

Das Wärmekraftwerk jedoch wurde fast zeitgleich mit der Pensionierung des ehemaligen Turbinenwärters im Jahr 1987 wieder stillgelegt. Die nächsten 55 Jahre sollte der Ausleitungskanal, der aus dem Wasser der Schwarza gespeist wird, seine Energie an einer Betonschwelle abbauen, anstatt diese in einer Turbine sinnvoll zu verwerten.

Erst im Jahr 2019 konnte nach fünfjähriger Vorlaufzeit wieder Wasserkraftstrom in Peisching gewonnen werden. Die ortsansässige Familie Haselbacher – insbesondere der älteste Sohn Stefan – war bereit, dieses Projekt anzugehen. Dafür waren umfangreiche Planungs-, Instandsetzungs- und Bauarbeiten notwendig. Es war nicht einfach, eine Turbine zu finden, die aus einer geringen Fallhöhe von 1,6 m bei einem relativ hohen Durchfluss von 6 m³/s mit vernünftigen Kosten auch respektable Leistungen erzielt. 

Entlang des nahen Wiener Neustädter Kanals wurden zahlreiche Turbinenarten getestet, aber für den Standort in Peisching bot sich die Wasserkraftschnecke wie keine andere Turbine an. Der Planer der Anlage, das Ingenieurbüro Mosbacher, hatte schon Projekte mit diesem Turbinentyp umgesetzt. Nach Anfragen bei den namhaften Herstellern stellte sich heraus, dass eine solche Sonderlösung nicht von jedem Produzenten bewältigt werden kann, und dank seiner Kompetenz kam der niederländische Hersteller Landustrie zum Zug.

Das Ingenieurbüro Lashofer rundete als Schnittstelle zwischen dem Produzenten, dem Eigentümer, dem Planer und der Baufirma das Team ab. Das Umfeld der Baustelle stellte den künftigen Betreiber vor zahlreiche Herausforderungen. So mussten die in die Jahre gekommenen Uferwände aus Holz erneuert werden. Diese wurden dabei auch gleich etwas höher ausgeführt. Die Arbeiten geschahen in Eigenregie durch den Junglandwirt und künftigen Kraftwerksbetreiber. Die Baustelle war schwer zu erreichen, da sie mitten im Ortsgebiet liegt. Am rechten Ufer steht das ehemalige Krafthaus und die Uferwand geht nahtlos in die Außenwand des nunmehr bewohnten Privathauses über.

Erfreulicherweise ist im Bereich des Absturzes zumindest am linken Ufer eine verbliebene Obstwiese und so wurde alles von dieser Seite aus gebaut. Dass der Bauplatz nur über eine schmale Hauszufahrt erreichbar ist, war fast schon nebensächlich. Für die Bauzeit wurden der Lauf des Mühlgrabens schlichtweg in die Agrarfläche umgelegt, eine starke Behelfsbrücke zur Baugrube errichtet und das neue Krafthaus im Trockenen gebaut.

Ein Kraftwerksbetrieb mit Anliegern kann herausfordernd sein, aber wenn die Nachbarn einen halben Meter neben der Wehrklappe leben, ist das eine besondere Situation. Vor Ort war man jedoch an das Geräusch des Absturzes gewohnt und das neue Kraftwerk wurde als lärmtechnische Verbesserung wahrgenommen. Trotz der notwendigen Verbindung der beiden Ufer durch das Wehrbauwerk konnte durch eine Insel zwischen Bestandskanal und dem neuen Kraftwerksgebäude die Schallübertragung erfolgreich entkoppelt werden.

Die Bauarbeiten konnten in dem relativ warmen Winter 2018 zügig durchgeführt werden und bereits im März 2019 wurde die Wasserkraftschnecke Fabrikat Landustrie aus der Stadt Sneek/Niederlande angeliefert. Für den heiklen Transport durch die engen Gassen von Peisching und durch die Hauseinfahrt zur Baustelle hatte sich die Großfamilie des Eigentümers etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Von dem Transport-Lkw wurde die gut 14 t schwere Schnecke mit dem alten Containerstapler des Onkels auf einen Traktoranhänger verladen. Mit dem Traktorgespann ging es dann über Nebenstraßen und durch die Gassen von Peisching bis auf die Baustelle, wo ein großer Kran bereit stand, um die neue Turbine in die richtige Position einzuheben. Nach der Ausrichtung des Troges wurde der Bereich zwischen Bauwerk und Schneckentrog mit Beton hintergossen und der Einlauf stromlinienförmig von dem Rechteckquerschnitt der Zuleitung auf den halbrunden Querschnitt der Schnecke ausgeformt. Der Beton musste nun abbinden, damit die endgültige Positionierung des elektromaschinellen Stranges erfolgen konnte. Die Kupplungen zwischen Schnecke, Getriebe und Generator können kleine Fehler ausgleichen, aber eine optimale Ausrichtung garantiert die höchste Lebenserwartung der Anlage. Jede Anlage ist ein Unikat und nur selten können Bausteine direkt übernommen werden.

Bei dieser Anlage wurde kein Spülschütz ausgeführt, weil die Platzverhältnisse es nicht zugelassen haben und die Wehrklappe den Querschnitt auch sehr tief freigibt, damit der Einlaufbereich von Sedimenten freigespült werden kann. Der Stahlwasserbau wurde von dem Traditionsbetrieb Mayrhofer aus dem unweit gelegenen steirischen Wenigzell geliefert. An der Wehrklappe wurde auch eine Schwimmerregelung verbaut, die bei Erreichen des maximalen Wasserstandes die Klappe hydraulisch öffnet. Dafür betätigt der Schwimmer ein Ventil, das den Druck von dem Hydraulikzylinder ablässt und so im Notfall die elektrische Steuerung umgeht. Durch den hohen Wasserspiegel, der nur Zentimeter unter der Ufermauer zu dem angrenzenden Wohnhaus liegt, ist ein solcher zusätzlicher Schutz notwendig. Natürlich wurde auch die heikle Inbetriebnahme von Landustrie-Technikern übernommen. Ein Software-Ingenieur, ein Elektrotechniker und der Konstrukteur der Anlage merzten zu dritt schnell die „Kinderkrankheiten“ aus und so konnte die Anlage schon Anfang April 2019 mit über 60 kW an das öffentliche Netz gehen.

Der Durchfluss liegt zwischen 2 und 7 m³/s, je nach Wasserführung in der Schwarza, die den Kehrbach ab dem Peischinger Landwehr speist. Das alte Wasserrecht vom Beginn des 19. Jahrhunderts ermöglicht (noch) eine gänzliche Entnahme des Wassers. Diese restlose Ausleitung ist eine spezielle Situation, wie die gesamte Gestaltung des Kehrbaches und seine wechselhafte Entwicklung. Erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt, diente er anfangs zum Befüllen des Burggrabens der Burg zu Wiener Neustadt. Im beginnenden Industriezeitalter wurde er zur Holzdrift umgebaut und schließlich 1855 wieder stillgelegt. Erst 1916 wurde der Kehrbach wieder aus dem Dornröschenschlaf geholt, um den Wiener Neustädter Kanal stärker zu dotieren. Die Schleusen an diesem ehemaligen Transportkanal von Wiener Neustadt nach Wien wurden zu kleinen Kraftwerken für die ansässigen Betriebe umgebaut, aber die ursprüngliche Speisung aus der Leitha war unzuverlässig, so musste rasch eine Beileitung der Schwarza über den Kehrbach her. Den Ausschlag dafür gab der Erste Weltkrieg, da mit der Wasserkraft kriegswichtige Aufträge abgearbeitet werden sollten.

Mit der Instandsetzung des Kehrbaches im Jahre 1916 wurde auch das ehemalige Kaplan-Wasserkraftwerk in Peisching und damit die Elektrifizierung des Ortes ermöglicht. Diese historischen Ereignisse waren ausschlaggebend für die Entwicklung der Ortschaft. Schade, dass das Kraftwerk nur bis in das Jahr 1964 laufen durfte. Dem ehemaligen Kraftwerkswart am rechten Ufer und dem stolzen Betreiber der neuen Wasserkraftanlage am linken Ufer des Kehrbaches sind hingegen 2019 jeweils ihre persönlichen Herzenswünsche in Erfüllung gegangen, dass der ehemals im Betonbecken tosende Wasserfall wieder die Familien und Betriebe in Peisching mit nachhaltigem Strom versorgen kann.

Die Regelung der Anlage erfolgt über den Oberwasserspiegel, dieser hat ein genehmigtes Staumaß und die Einhaltung desselben garantiert eine hohe Produktion. Um diesen zu halten, wird die 4-gängige Wasserkraftschnecke mit verschiedenen Drehzahlen betrieben. Mit dem Ausbaudurchfluss von 6 m³/s und der Netzfrequenz von 50 Hz läuft sie mit 21 Umdrehungen. Ist mehr Wasser verfügbar, beschleunigt die Steuerung die Schnecke auf max. 60 Hz, damit das zusätzlich verfügbare Wasser abgearbeitet werden kann. Der erzeugte Strom wird im Frequenzumrichter mit geringen Verlusten wieder auf die Netzspannung umgerichtet und eingespeist. Sinkt der Durchfluss, wird die Schnecke langsamer und schluckt so weniger Wasser, damit der Oberwasserstand immer gleich bleibt.

Trotz sorgfältiger Planung wurde die Variabilität des Unterwassers von allen Beteiligten unterschätzt. Da das Unterwasser bei geringen Wasserführungen weniger Rückstau hat, sinkt es um bis zu 20 cm ab. Mit dem höher als erwartet genehmigten Oberwasserspiegel und den geringeren Einlaufverlusten bei Niedrigwasser wächst die Fallhöhe von 1,5 auf bis zu 1,8 m an. Die 20% mehr Fallhöhe führen bei den geringen Drehzahlen zu sehr hohen Drehmomenten und folglich zu hohen Stromstärken im Generator und dem Frequenzumrichter. Das System wurde mit Reserven konzipiert, aber wenn diese durch die zu erwartenden immer häufigeren Niederwässer ausgeschöpft werden, ist das eine Belastung für die elektronischen Bauteile. Deshalb wird nun im Niederwasserfall der Oberwasserspiegel leicht abgesenkt, um hier für wenige kWh kein unnötiges Risiko einzugehen. Eine grenzwertige Belastung des Systemes durch überhöhte Drehmomente bei Minimaldrehzahl wäre nicht sinnvoll.

Das Projekt ist ein großer Erfolg geworden, und nach 55 Jahren ohne Wasserkraft und 32 Jahren ohne Stromerzeugung wird nun nachhaltig und umweltverträglich Strom in Peisching produziert. Durch das ausgezeichnete Miteinander der Beteiligten ist ein wertvolles Projekt entstanden. Der reibungslose Ablauf war nur durch das persönliche Engagement aller beteiligten Firmen und ihren Willen zum gemeinsamen Erfolg möglich.

 


Der Cache...

ist leicht mit dem Auto erreichbar, auch per Fahrrad (oder zu Fuß) ist der Weg entlang des Kehrbaches (wenngleich auch mit einigen kleinen Umwegen) möglich. Zum Loggen verwende die 7-stellige Zahlen-/Buchstabenkombination, die du auf der Brücke findest.

 

Übersicht zur Cache-Serie:
Kehrbach #1: Peischinger Wehr 
Kehrbach #2: Turbinenweg
Kehrbach #3: Springer
Kehrbach #4: Naturkraft Breitenau
Kehrbach #5: Falschlehner
Kehrbach #6: Hundeschule
Kehrbach #7: Wasserschloss
Kehrbach #8: Föhrenwald
Kehrbach #9: Brunnenfeld
Kehrbach #10: Brauhofzentrale
Kehrbach #11: Akademiepark
Kehrbach #12: Ungarfeld
Kehrbach #13: Warme Fischa

 

Quellen:
Mosbacher - KW Peisching
Mosbacher - Baubeginn KW Peisching
Lashofer - Artikel Wasserkraft
Lashofer - Wasserkraftschnecke
Mosbacher - Steg Natschbach
Wikipedia - Wasserkraftschnecke


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gefunden 05. Oktober 2023 Wandervogel 510 hat den Geocache gefunden

Am Weg zu einem GC-Event hier vorbei gekommen und das Kennwort rasch gefunden {STL}.

gefunden 25. September 2023, 07:21 Tankred der Zweite hat den Geocache gefunden

Heute mal ein bisschen mehr Zeit für diese Serie gehabt 👍🏻
Danke für's Herlocken!
TFTC

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